Wissenswertes – Asbest

Focus-Artikel zum Thema Asbest – Ausgabe 24/07

Immer weniger Luft – Die Zahl der Neuerkrankungen wegen Asbest steigt. Erst im nächsten Jahrzehnt erreicht sie ihren Gipfel

Früher oder später wird Johannes Preitz den Streit mit seiner Berufs-genossenschaft wohl gewinnen. Die Sozialverwaltung beschied dem Renter aus Nachterstedt (Sachsen-Anhalt) zwar, dass seine Asbeststaub-Lunge eine Berufskrankheit ist, verweigert aber „Leistungen“. Grund: Die medizinischen Befunde zeigten, dass aus dem Leiden keine Einschränkung der Atem- und Kreislauffunktion resultiere. Die Kurzatmigkeit des 63-jährigen Diplomingenieurs, der von 1959 bis Mitte der 60er Jahre als Elektriker mit Asbestfastern hantierte, sei wohl auf andere Ursachen wie Bluthochdruck zurückzuführen. Doch die Asbestose breite sich aus und werde bei Kontoll-untersuchungen deutlicher hervortreten, schätzt Patient Preitz.

Mit Ausbruch und Fortschreiten von Asbestose, Lungen-, Kehlkopf- oder Brustfellkrebs müssen noch Hunderttausende fertig werden, die in den vergangenen Jahrzehnten Kontakt mit dem feuer- und säurebeständigen Naturstoff gehabt haben. Derzeit erkrankten in Deutschland rund 8000 Menschen pro Jahr, „aber der Häufigkeitsgipfel wird für 2010 bis 2020 erwartet“, sagt Wolfgang Schütte, Pneumologe im Hallenser Krankenhaus Martha-Maria. Die Berufsgenossenschaften registrieren seit 1978 mehr als 20 000 Asbesttote, erkennen jährlich an die 4000 Erkrankungen als berufsbedingt an und zahlen 350 Millionen Euro (1990: 53,3 Millionen).

Finanziell schlechter gestellt sind die „Freizeitopfer“. Sie haben die bis zu zwei Tausendstelmillimeter kleinen Fasern eingeatmet, weil sie sich, so Schütte, „öfter in ihrer Gartenlaube aufhielten oder auch nur regelmäßig die Arbeitskleidung des Gatten wuschen“. 1993 verhängte Deutschland ein end-gültiges Asbestverbot, ab 2005 auch die EU. Doch die Katastrophe der Wirtschaftswunderzeit und danach ist noch lange nicht Vergangenheit.

Wer einem erhöhten Risiko ausgesetzt war, sollte sich nach Rat der Mediziner „engmaschig“ untersuchen lassen. „Viele Betriebsärzte, etwa in der Chemieindustrie, kümmern sich beispielhaft um die Früherkennung“, lobt der Onkologe Christian Manegold von der Universitätsklinik in Mannheim. Nach der Diagnose stelle sich aber „ein therapeutisches Problem“, räumt Manegold ein. Keine Behandlungsform sei durchgreifend wirksam. Schütte zufolge überleben weniger als die Hälfte der Brustfellkrebskranken ein Jahr. Mit dem Berliner Palast der Republik verschwindet das prominenteste Beispiel für Asbestsanierung. Belastet kann aber noch jedes ältere Haus sein – und jedes bis in die 80er-Jahre produzierte Bauteil. Asbest steckt in Dachplatten und Fassadenelementen, Brandschutzplatten und -massen, Kabel- und Lüftungskanälen, Fußbodenbelägen („Flexplatten), in Nachtspeicherheizöfen, Dichtungen und Dehnungsfugen. Selbst Alltagsgegenstände wie Bügeleisen können Asbest enthalten.

Ex-Elektriker Preitz, der sich mit einem Lappen „aus purem Asbest“ an Erdkabeln zu schaffen machen musste, möchte einen Treppenlift in sein Haus einbauen lassen. „Die Luft wird immer weniger.“ Der Wunsch könnte erfüllbar werden, sobald die „erwerbeärztliche Stellungnahme“ für die Berufsgenossen-schaft eine Verschlechterung seines Zustands ergibt. „Dann aber“, so Preitz, „frage ich mich, wie lange mir bleibt, um in dem Haus zu leben.“

 

AZ-Artikel vom: 28.11.2006

Asbest im Haus: Da muss der Fachmann ran

Viele ältere Gebäude enthalten noch immer giftige Fasern – Entfernen dürfen sie nur Experten.

Asbestsanierung ist nichts für Hobby-Handwerker. Fast 1600 Menschen sind allein im vergangenen Jahr an den Schäden gestorben, die der giftige Baustoff ihren Körpern zugefügt hat (wir berichteten). Und noch immer steckt Asbest in Fußböden, Heizungssystemen, auf Dächern und an Fassaden.

Von 1950 bis 1980 wurde Asbest gerne beim Hausbau verwendet. Betroffen sind deshalb vor allem Gebäude, die in diesem Zeitraum entstanden sind – erst 1993 wurde die Verwendung von Asbest in Deutschland verboten. In etwa 10-25 Prozent dieser Häuser, schätzt der Mineraloge Bernhard Bauer vom Nürnberger Labor- und Ingenieursbüro für Schadstoffe, Competenza, ist der Asbest bis heute nicht entfernt.
In Wohnhäusern sind vor allem Fußbodenbeläge und Heizungsdichtungen betroffen. Wenn Bodenplatten angebrochen sind, werden dort oft kleine weiße Fasern sichtbar. Das kann Asbest sein, muss aber auch nicht.
Eine Laboranalyse kann feststellen, ob diese Fasern gesundheitsgefährdend sind. Dazu kann eine Probe in eines der zahlreichen Schadstoff-Labore in Deutschland geschickt werden. Etwa 60 Euro kostet diese Analyse, sagt Bauer. Stellt sich heraus, dass die Bodenplatten tatsächlich asbesthaltig sind, ist Vorsicht geboten.
Nur Fachbetriebe dürfen den Asbest dann entfernen. Schutzanzüge verhindern, dass diese Experten die gefährlichen Asbestfasern einatmen. Etwa 25 Euro pro Quadratmeter kostet zum Beispiel die Asbest-Sanierung eines Fußbodens, rechnet Bauer vor: Die Sondermüll-Entsorgung ist dann schon dabei.
Finanzielle Unterstützung vom Staat gibt es für die Asbest-Sanierung nicht. In seltenen Fällen sind die Kosten aber steuerlich absetzbar.          (Bild BG)